Das Schweigen der Insekten

Ich bin empört!

Da geht in diesen Tagen die Nachricht durch die Presse, dass 75% der Insekten in Europa weg sind. Was für eine erschreckende Entwicklung! Klar, eher eine relativ leise Nachricht. Anders als die lauten Schreckensnachrichten, die ebenfalls täglich hier einfallen und uns auf Trab halten.

Aber auch eine leise Nachricht kann eine Todesnachricht sein. Die Erde heult nicht laut auf, wenn sie stirbt. Sie stirbt leise.

Man merkt es vor allem daran, dass es so still geworden ist, im Sommer, draußen auf der Terrasse. Nichts brummt mehr. Und die Frontscheiben meines Autos sind so sauber. Schon seit ein paar Jahren bemerke ich das. Nahezu klinisch rein, möchte man sagen.

Die Insekten sterben uns weg! Und in der Folge dann die Vögel? Und irgendwann die Ernte, weil niemand mehr zum Bestäuben da ist?

Oder reiben sich die Konzerne schon fröhlich die Hände, weil sie den Bauern dann endlich ihre teuren künstlichen Befruchtungsmethoden verkaufen können? Um aus der Not Profit zu schlagen, wie so oft?

Die Insekten sterben. Weil sie ausgerottet werden. Durch das Gift auf den Feldern. Durch die Monokulturen. Durch die Methoden der konventionellen Landwirtschaft. Durch den Bauboom, der von keiner Wiese halt macht.

Apropos Wiese: Die letzten großen Wiesen in Europa habe ich ja gesehen, als ich im Sommer 2002 eine Reise durch Böhmen machte. Ist lange her. Mein Gott, war das schön!

Und was sagt die Agrarlobby zum Insektensterben?

Was sagen die Chemiekonzerne?

„Unser Gift war´s nicht.“

Solange es noch nicht hundertprozentig erwiesen ist, dass es doch dieses Gift ist, dass erst die Tiere und dann die Menschen vergiftet. Solange das nicht hundertprozentig durch langjährige und völlig korrekte, unangreifbare Studien bewiesen ist, gilt: Im Zweifel für den Angeklagten.

War´s das Klima? Der Klimawandel?

Noch viel schwieriger zu belegen. Aber eine gute Möglichkeit, vom Giftskandal eines Chemiekonzerns abzulenken, der uns gerade umtreibt.

Die Sache ist: Bis zum hundertprozentigen Beweis ist es zu spät. Dann gibt es vielleicht gar keine Insekten mehr! Und keine nicht verseuchten Felder. Und auch keinen Weg zurück!

Und ich bin sicher: Dann werden die hochrangigen Verantwortlichen Möglichkeiten finden, sich aus der Affäre zu ziehen und mit einem gehörigen finanziellen Gewinn aus der Sache rauszukommen.

Denken Machthabende vielleicht: „Naja, wenn die Welt untergeht – egal. Mich und meine Kinder wird es nicht treffen. Denn wir sind die finanzstarke Elite. Für uns wird schon gesorgt sein.“

Ich bin empört!

Und ich bin auch empört darüber, dass die so genannten Grünen in der Politik nicht auf die Barrikaden steigen. Nicht lauter ihre Stimme erheben.

Warum schweigt ihr? Weil ihr um eure Macht bangt? Weil ihr euch duckt vor den anderen? Weil ihr zum Establishment gehören wollt? Weil ihr um jeden Preis regieren wollt? Auch um den Preis der Preisgabe eurer Ziele und Werte? Oder mangelt es euch an guten Ideen?

Hier wären ein paar:

  • Stoppt den Einsatz von Gift auf unseren Feldern. Es geht auch anders.
  • Hebt die Mehrwertsteuer auf alle Lebensmittel an, und unterstützt mit dem Geld direkt die ökologische Landwirtschaft, besonders die klein- und mittelständischen ökologisch arbeitenden Landwirte und Landwirtinnen.
  • Ändert den Lehrplan an den Schulen: Ökosysteme, Alternative Energien, Umweltschutz und ökologische Landwirtschaft. Und nicht nur einmal pro Schulkarriere. Nicht nur am Rande.

Wenn Deutschland das Vorzeigeland in Sachen Umweltschutz und Klimaschutz sein will, muss dieses Signal noch viel stärker an den Schulen sichtbar werden. Denn dort werden die Politikerinnen und Politiker, die Geschäftsleute und Forschenden, die Landwirtinnen und Landwirte von morgen ausgebildet. Und diese sollten doch ökologisch denken und arbeiten, oder?

In jungen Jahren werden die entscheidenden Grundlagen gelegt für das, was ein Mensch liebt, was ihm wertvoll und teuer ist. Was er schützen wird, wenn er groß ist.

„Das geht alles nicht“, mögen manche jetzt sagen.

Ja, manches geht vielleicht nicht so einfach, wie ich es mir vorstelle.

Aber andererseits…

Meine Tochter zitierte heute Morgen am Frühstückstisch folgenden Spruch:

„Das geht nicht“, sagten die Leute.

Bis einer kam, der das nicht wusste.

Und es einfach tat.

***

Jetzt sterben die Insekten. Ja, es sind nur Insekten. Es sind keine Menschen.

Aber ich bin sicher, der legendäre Häuptling Seattle hatte Recht, als er sagte: „Was immer den Tieren geschieht, geschieht bald auch den Menschen.“

Wir sind Teil dieser Erde. Nicht ihr Beherrscher und Bezwinger. Wir werden nicht überleben, wenn die Erde tot ist. Wir sind Kinder dieser Erde. Ein Teil von ihr. Und zwar der Klügste, sollte man meinen. Oder nicht?

Es ist ein Warnsignal. Noch kann das Ruder herum gerissen werden. Aber in ein paar Jahren vielleicht nicht mehr. Und wenn es dann keine gesunden Felder mehr gibt und keine natürliche Insekten-Befruchtung, und wenn keine Apfelbäume mehr auf wilden Wiesen wachsen, dann will ich von der Politik nicht diesen Satz hören: „Darauf waren wir nicht vorbereitet!“

Es ist eure Aufgabe, vorbereitet zu sein. Vorauszublicken. Es ist eure Aufgabe, das Land zu führen. Die Gesellschaft zu führen. In eine gute Zukunft.

Für mich persönlich gehört zu einer guten Zukunft das Brummen von Insekten im Sommer auf der Terrasse. Zu einer guten Zukunft gehören für mich und für meine Kinder das Grillenzirpen am Abend und der Vogelgesang schon am frühen Morgen. Auch das Krabbeln der Kellerasseln unterm Blumentopf gehört dazu. Und die Ameisenstraßen gehören auch dazu. Und die Schmetterlingswiesen.

Und ein Apfel, dessen Blüte durch eine wilde Biene befruchtet worden ist.

Also: Lasst uns tun, was zu tun ist.

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