„Literatur hat keine Angst“

(Frankfurter Buchmesse 2015, Gastland: Indonesien)

 

Mit dem Titel „Literatur hat keine Angst“ ist der Beitrag der FAZ zur Eröffnung der Frankfurter Buchmesse 2015 überschrieben. Der indisch-britische Schriftsteller Salman Rushdie sagt: „Die Kunst ist stark, aber der Künstler ist schwach.“ Er kann getötet, misshandelt und zum Schweigen gebracht werden. Die Buchmesse in Frankfurt dagegen will für Meinungs- und Publikationsfreiheit einstehen. Und für Salman Rushdie steht fest: Freiheit der Meinung und des Ausdrucks sind kein Lokalkolorit bestimmter Staaten und Kulturen. Die Toleranz des aufgeklärten Menschen darf nicht so weit gehen, die Missachtung der Menschenrechte „woanders“ zu tolerieren.

In der globalisierten Welt prallen die Geschichten und Kulturen aufeinander, rasen ineinander hinein und streiten darum, wer die Wirklichkeit nun wirklich richtig und wahr deutet.

Literatur ist immer Dichtung. Aber zugleich kann sie als Dichtung der Wahrheit dienen.

Der Ehrengast der Frankfurter Buchmesse im Jahr 2015 ist Indonesien.

Was ist Indonesien für ein Land?

  • Lage: 17.000 Inseln am Äquator zwischen Singapur im Norden und Australien im Süden. Indonesien ist die viertgrößte Nation der Welt, was die Bevölkerungszahl angeht!
  • Die Hauptstadt heißt Jakarta.
  • Es herrscht tropisches Klima: zum Teil Regenwaldgebiet – auf einigen Inseln herrscht immer feuchtes Tropenklima, um die 26°C bei 95% Luftfeuchtigkeit. Auf anderen Inseln bestimmt der Monsun das Klima (hohe Temperaturen, z. T. Trockenheit). Leider wird der Regenwald abgeholzt, um Palmölplantagen anzulegen.
  • Tierwelt: Hier leben z. B. Orang-Utans! Und es gibt ein wunderbares Korallenmeer…
  • Die Landschaft ist vulkanisch geprägt. Das heißt: Das Land ist sehr fruchtbar. Aber es gibt auch oft Erdbeben und Tsunamis.
  • Bevölkerung: Es gibt über 350 verschiedene Völker!
  • Religion: 88% Muslime (überwiegend moderat), 9% Christen, 1,8% Hindus, 1% Buddhisten, kleine jüdische Minderheit. Der Ahnenkult und der Geisterglaube haben nach wie vor einen großen Stellenwert bei vielen Indonesiern.
  • Über 27% der Indonesier leben in Armut. Auf der Insel Java gibt es etwa 1,7 Millionen Straßenkinder.
  • Zur Geschichte Indonesiens:
  • Bereits vor 1,8 Millionen Jahren waren die Inseln besiedelt. In den Jahrhunderten nach Christus entstanden Königreiche, denen Reichtum dem Handel entsprang: besonders dem Handel mit indonesischen Gewürzen! Irgendwann entdeckten portugiesische Seefahrer die wunderbaren Inseln, aber vorherrschende Kolonialmacht wurde 1600 nChr. Holland. Bis ins 20. Jhd. hinein. Dann versucht Japan, die holländische Kolonie zu erobern. 1945 rief Indonesien unter dem Anführer Sukarno aber seine Unabhängigkeit aus. Holland musste sich zurückziehen. Und Japan kapitulierte.
  • Am 30. September 1968 kam es zu einem Putschversuch von Teilen des Militärs. Der rechtsgerichtete General Suharto schlug den Aufstand nieder und erklärte, die kommunistische Partei sei schuld an dem Putsch. Mit dieser Lüge begannen ein Massaker und eine Verfolgung von Kommunisten und deren Freunden und Familien und der chinesischen Minderheit, denen laut Amnesty International eine Millionen Menschen zum Opfer fielen.
  • Erst nach der Wirtschaftskrise 1998 kam es zu Protesten, besonders der Studenten. Die Gewalt erreichte ihren Höhepunkt in den Tagen vom 12. bis zum 14. Mai 1998 in Jakarta. Schließlich musste Suharto zurücktreten. 1999 wurde zum ersten Mal ein Staatspräsident frei gewählt.
  • Um die Meinungsfreiheit wird aber auch nach dem Ende der Herrschaft Suhartos nach wie vor gerungen.

 

Wie nähert man sich einem Land an, das man nicht kennt und in das man auch nicht einfach mal eben so rüber hopsen kann? Ich würde sagen: Lies ein Buch von einem Schriftsteller dieses Landes. Dann lernst du zwar nicht das ganze Land kennen, aber du wirst zumindest einen ersten Einblick bekommen, aus einer Perspektive. Und wenn diese dich neugierig macht, dann lies noch ein weiteres Buch, von einem anderen Schriftsteller. Nun gibt es ja eine Menge Arten von Büchern: Reiseführer. Sachbücher. Kinderbücher. Märchenbücher. Romane. Gedichte.  Und dann zu ganz verschiedenen Themen: Flora und Fauna. Geschichte und Politik. Als ich auf der Liste der empfohlenen Neuerscheinungen indonesischer Literatur nach einem Buch suchte, stand viel zur Auswahl: Die Geschichte über einen armen Bauernjungen, der endlich eine Schule besuchen darf. Die Geschichte einer Tänzerin. Ein Wälzer über vier Generationen Frauenschicksal im hinduistischen Umfeld. Auseinandersetzungen mit dem Islam.

Ich recherchierte und schmökerte in den Kurzbeschreibungen. Und mir wurde beim Überfliegen der Titel klar: Ich werde ein Buch auswählen, zu dem ich eine Verbindung aufbauen kann, weil es eine Gemeinsamkeit zwischen der Geschichte und mir gibt. Daher wählte ich das Buch Pulang – Heimkehr nach Jakarta. Weil die Geschichte zum Teil in Europa spielt. Und weil der Held Literatur studiert hat. So wie ich auch. Und darum besteht für mich ein Anknüpfungspunkt.

Wenn wir uns einer anderen Kultur annähern wollen, dann lasst uns in dem ganzen Gewirr nach einem Faden suchen, an dem wir anknüpfen können.

Ich fing an zu lesen.

„Die Nacht war hereingebrochen, ohne Wenn und Aber. Als hätte sich ein schwarzes Wurfnetz über Jakarta gelegt, oder als hätte sich die Tinte eines Riesenkraken über das gesamte Stadtgebiet ergossen. Undurchdringlich wie die Zukunft, die ich nicht vorausahnen konnte…“

Da war ich. Mit einer mir noch unbekannten  Person in den Räumen einer Nachrichtenredaktion in Jarkata, der Hauptstadt Indonesiens. Und wenige Seiten später befinde ich mich in Gesellschaft zweier junger Menschen – einer französischen Studentin und einem Asylanten aus Indonesien, die sich gerade zum ersten Mal in Paris begegnen. „Eigentlich sollten wir eine Tasse Luwak-Kaffee trinken“, sagt der junge Mann und ich lese in seinen Gedanken: „Da war es, ich hatte eines der gefährlichen Wörter ausgesprochen. In meinem erbärmlichen Zustand und mitten in Europa sollte ich mit meinen Äußerungen über etwas Exotisches, das ich vermisste, vorsichtiger sein. Eine solche Äußerung konnte ein Beben in meinem Innern auslösen. Ich sollte Indonesien und alles, was damit in Verbindung stand, fest einschließen und vergraben. Und sei es nur vorübergehend. Ich musste in der Lage sein, mein Leben weiterzuleben.“

Noch weiß ich als Leserin nicht sehr viel. Aber diese Gedanken erinnern mich natürlich an die aktuelle Situation in unserem Land, in das zurzeit so viele Flüchtlinge strömen. Und neben all den Schwierigkeiten der Verwaltung und Organisation und neben all den Fragen, ob es gelingt, das diese Menschen nicht nur in unserem Land, sondern auch in unserem Wertsystem ihren Platz finden – da sehe ich mit einem Mal auch das Heimweh, das diese Menschen begleitet. Vielleicht ihr Leben lang.

Und mir fällt der kluge Satz ein: „Urteile nicht über den anderen, bevor du nicht eine Meile in seinen Mokassins belaufen bist.“ Zuhören, kennen lernen, sich in den anderen hinein versetzen. Die Welt mit seinen Augen sehen.

Und dann begleite ich beim Lesen diesen Asylanten namens Dimas auf seinen Wegen. Auch auf seinem Weg in die Küche. Denn Dimas ist ein begnadeter koch indonesischen Essens.

„Flink zerkleinerte ich die Zwiebeln und den Knoblauch, schnitt das Gemüse und das Hühnerfleisch in mundgerechte Stücke. In einer Glasflasche bewahrte ich Minyak Jelantah auf, das war Öl, das bereits einmal zum Braten verwendet worden kann. Ich entnahm einen guten Schuss dieses Öls und rührte damit die Gewürze an. Dieses Öl war das Geheimnis meiner Gewürzzubereitung: gesundheitlich vielleicht nicht ganz unbedenklich, aber sie ließ jedem das Wasser im Mund zusammen laufen.“

Und mir läuft beim Lesen auch das Wasser im Mund zusammen. Und ich denke: Ich sollte einmal indonesisch essen gehen!

Fremdes Essen probieren. Den Duft fremder Gewürze einatmen. Ein anderes Land schmecken. Eine andere Kultur verkosten. Das ist schon immer ein guter und gesegneter Weg gewesen, Grenzen zu überwinden und in die Lebenswelt des anderen einzutauchen. Ich bin sehr froh darüber, dass ich als Deutsche nicht nur auf Eisbein mit Sauerkraut und als Nordhessin auf Aale Wurscht angewiesen bin. Obwohl auch aale Woscht wirklich gut schmeckt!

Wenn wir uns mit anderen Kulturen beschäftigen, werden wir natürlich auch auf Dinge stoßen, die wir ablehnen. In meinem Buch taucht eine indonesische Heldengestalt auf. Ekalaya ist ihr Name. Ein Bogenschütze. Der beste Bogenschütze der Welt. Und als er sich bei seinem Meister für den Unterricht bedankt und – wie üblich – diesem eine Dankesgabe überreichen will – da fordert sein Meister von ihm zum Dank seinen rechten Daumen. Und das hieß, dass Ekalaya von jetzt an nie wieder ein guter Bogenschütze sein würde. Wie reagiert Ekalaya auf diese Forderung? Protestiert er? Tötet er seinen Meister? Setzt er sich für sein Recht und das Recht aller Unterdrückten ein? Nein. Voller Freude tut er, was sein Meister von ihm verlangt.

Das irritiert mich. Gibt es hier keinen zivilen Ungehorsam? Gibt es hier keine Vernunft? Keine Gerechtigkeit?

Aber dann denke ich an die jüngste Geschichte unseres deutschen Volkes zurück. Menschen, die voller Überzeugung und Hingabe dem sogenannten Führer ihr Leben und das Leben ihrer Kinder opferten. Und sich dabei sicher waren, das richtige zu tun.

Kann ein Mensch geläutert werden, sein Denken erneuern? Ich glaube ja.

Kann eine Gesellschaft geläutert werden, ihr Denken erneuern, andere Werte setzen? Ich glaube ja.

Aber es ist oft ein schmerzvoller Weg bis dahin.

Die Tochter meines Helden im Buch reist als erwachsene Frau von Frankreich aus nach Indonesien, um dort einen Dokumentarfilm zu drehen. Sie taucht dabei ein in die Schrecken der Jahre nach 1968 unter der Herrschaft Suhartos ein. Sie hört den Menschen zu, die inhaftiert und gefoltert wurden – weil sie mit politisch Andersdenkenden  befreundet waren. Weil sie Verwandte hatten, die aus politischen Gründen fliehen mussten. Weil man Schuldige brauchte. Die Wahrheit wurde in Indonesien jahrzehntelang mit Lügen übertüncht. Und erst 1998 kam es endlich zu den Protesten, die den Rücktritt des Herrschers Suharto auslösten. Proteste gegen die erhöhten Benzinpreise – und für die Meinungsfreiheit. Aber obwohl sich in Indonesien seitdem viel getan hat, mahnt Amnesty International nach wie vor: Denn immer noch und immer wieder kommt es zu Maßnahmen und Ausschreitungen gegen Andersdenkende.

Und ebenso erschreckend ist es, wenn in unserem Land, in Deutschland, gegen Menschen gehetzt wird. Wenn gegen Menschen Gewalt angewendet wird, weil sie einer anderen Meinung sind. Einer anderen Kultur angehören. Einen anderen Gott verehren. Eine andere Sprache sprechen. Und da ist es mir einerlei, auf welcher Seite die Hetzer zu finden sind. Ob es muslimische Flüchtlinge sind, die christliche Mitflüchtende über Bord werfen. Oder ob es rechtsradikale Deutsche sind, die einen Dunkelhäutigen niederstechen.

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Lasst uns immer nach menschenwürdigen Wegen suchen, diese wunderbare Erde, diesen Kontinent, dieses Land miteinander zu bewohnen.

Die Reise meines Helden Dimas ist zu Ende gegangen. Mit seiner Tochter sitze ich an seinem Grab und lese: „Der Abend senkte sich langsam, als würde er uns noch ein wenig mehr Zeit lassen, um bei meinem Vater bleiben zu können, bevor die Dunkelheit endgültig hereinbrach. Ich wusste nicht mehr, ob ich auf dem Friedhof Père Lachaise in Paris oder auf Karet in Indonesien war. Aber eins wusste ich sicher: Papa lächelte von fern. Er war glücklich, weil er – mit uns allen an seiner Seite – heimgekehrt war.“

„Die Meinungsfreiheit ist ein universales Menschenrecht“, bekräftigt Salman Rushdie in seiner Rede zur Eröffnung der Frankfurter Buchmesse. Menschen sind Sprachwesen, sie erzählen einander ihre Geschichten. Das ist ihre menschliche Natur. Darum, so Salman Rushdie, müssen die Zungen der Sprache frei sein“ – und „ohne die Meinungsfreiheit gibt es keine anderen Freiheiten.“ (FR online)

Und wer jetzt Lust auf indonesische Literatur bekommen hat, kann gerne mal in meine Ausgabe hineinschauen. Oder sich am besten gleich das Buch besorgen. Es lohnt sich!

Gesunder Wettbewerb

Eine Wiederentdeckung der Ring-Parabel

Neulich ist mir mal wieder Lessings Ring-Parabel durch den Kopf gegangen. Anlass: Ich unterrichtete an einem Gymnasium Religion, und Thema des Unterrichts waren die Weltreligionen.

In der Klassenarbeit stellte ich die Frage: Wäre eine Welt ohne Religion besser? Und Bezug nehmen sollten die Kids der siebten Klasse dabei auf das schöne Lied von John Lennon “Imagine“. Stell dir vor, es gäbe weder Himmel noch Hölle. Keine Religion.

Eine Schülerin schrieb: Das wäre doch langweilig! Keine Religion. Keine verschiedenen Kulturen. Alle Menschen wären nur ein Volk und würden alle das gleiche auf die gleiche Art leben, feiern, glauben, blöd finden… Keine Vielfalt. Wie öde! Außerdem muss sich dann niemand mehr anstrengen, um die anderen davon zu überzeugen, dass der eigene Glaube gut ist.

Interessanter Gedanke… und dann fiel mir die Geschichte vom Ring ein. Von dem einen Ring, dem echten, dem wahren. Den der Vater von Generation zu Generation jeweils an seinen liebsten Sohn weitergibt. So lässt es der Schriftsteller Gotthold Ephraim Lessing den Propheten Nathan erzählen, und zwar dem Sultan. Der will nämlich wissen, welche der drei großen Weltreligionen die richtige ist: Judentum, Christentum oder Islam.

Und Nathan der Weise antwortet mit einer Geschichte über einen Vater und seine drei Söhne. Soll heißen: Über den einen Gott und seine drei monotheistischen (das heißt: es gibt nur einen Gott) Religionen.

Ja nun, sagt Nathan, stell dir vor, da ist ein Vater mit drei Söhnen. Er liebt sie alle gleich. Aber er hat nur einen einzigen Ring. Einen Ring mit besonderer Macht: Der Ring besitzt die Wunderkraft, beliebt zu machen, bei Gott und Menschen angenehm.

Wow! Der Ring sorgt dafür, dass sein Träger bei allen beliebt ist! Ja, und diesen einen Ring soll der Sohn erhalten, der dem Vater der liebste ist, der ihm gehorsam ist, der ihm ehesten entspricht. Der soll sein rechtmäßiger Erbe, Ringträger und Segensträger sein.

Nun sind dem Vater aber alle drei Söhne gleichermaßen lieb. Was tun?

Der Vater lässt zwei weitere Ringe anfertigen, die dem einen vollkommen gleichen. Dann mischt er sie, so dass er sie selber nicht mehr unterscheiden kann, und ruft der Reihe nach seine Söhne zu sich. Jedem von ihnen gibt er den einen Ring.

Geschickt! Denn woran erkennt man den richtigen Ring?

Daran, dass sein Träger bei allen beliebt ist!

Sprich: Jeder Sohn wird alles dafür tun, um bei den Menschen beliebt zu sein. Um sich auf diese Weise als der wahre Ringträger zu entpuppen.

Und: Die Menschen in der Umgebung werden den echten Ring daran erkennen, welcher der drei Söhne gut, gerecht und freundlich ist. Entweder, weil er wirklich magisch ist, oder weil seine Wunderkraft darin besteht, das Verhalten der Menschen zum Guten hin zu verändern und zu motivieren. Wer das kann, einen Menschen zum Tun des Guten hin zu verändern und zu motivieren – also ich würde sagen, das grenzt doch durchaus an ein Wunder.

Und so handeln die drei Söhne von jetzt an, so gut sie nur können, auf verschiedene und individuelle Weise. Und bestenfalls erfüllen sie ihren Job so gut, dass man bis zum Ende ihrer Zeit nicht mit Sicherheit sagen kann: Dieser ist der beste. Dieser trägt den echten Ring. Dieser ist in Wahrheit der rechtmäßige Erbe des Vaters.

Das nenne ich mal einen gesunden Wettbewerb. Gesund, weil die Welt durch ihn gesund wird. Heil. Weil er den Menschen und der Welt zum Guten dient.

Leider gibt es unter den Religionen auch einen sehr ungesunden Wettbewerb. Und ein Paradebeispiel dafür finde ich – auch das noch! – in der Bibel.

Elia, ein Prophet Jahwes (des Gottes von Israel), ist im Klintsch mit König Ahab. Dieser König nämlich dient nicht nur dem Gott Israels, sondern auch dem Gott Baal. Und seine Frau, die Königin, die ausschließlich dem Baal dient, wollte die Propheten Jahwes töten lassen. Sie wollte sie ausrotten! Weg mit dieser Religion! Einige konnten sich zum Glück verstecken…

Ja, und nun regnet es nicht mehr. Das ist die Strafe Gottes. Welches Gottes? Jahwes? Oder Baals?

König Ahab sagt, an der Trockenheit sei der Prophet Elia schuld. Elia sagt, an der Trockenheit sei König Ahab schuld.

Und dann reicht es Elia. Er fordert die 450 Baals-Propheten zum Wettkampf heraus. Welcher Gott kann Feuer vom Himmel werfen? Der soll dann als der wahre Gott gelten.

Es werden zwei Altäre gebaut. Einer für Baal, einer für Jahwe.

Und dann geht´s los. Die Baalspriester schlachten einen Stier und legen ihn auf das Holz. Dann tanzen sie um den Altar herum, sie ritzen sich ihre Haut blutig und beschwören ihren Gott, er möge das Holz in Brand stecken. Aber nichts passiert.

Dann ist Elia dran. Er richtet ebenfalls Holzscheite auf. Zerstückelt einen Stier, legt die Stücke aufs Holz. Lässt noch mal ordentlich Wasser darüber gießen, und dann betet er kurz: Lieber Gott, zeig deine Macht. Und – zusch! – fällt ein Blitz vom Himmel, und der Altar steht in Flammen.

Der Gott Israels hat gewonnen.

Ist die Sache damit geklärt? Nein!

Denn Elia ist jetzt erst so richtig in Fahrt gekommen. Das Adrenalin in seinem Blut ist überdosiert. Er lässt alle 450 Propheten Baals gefangen nehmen und bringt sie eigenhändig um.

Kurze Zeit später regnet es.

Ich weiß, diese Geschichte aus dem Alten Testament ist um vieles älter als die Ring-Parabel des aufklärerischen Schriftstellers Gotthold Ephraim Lessing. Daher muss man die Geschichten in ihrem zeitlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Umfeld sehen und darf sie nicht über einen Kamm scheren.

Aber mir kommt es zuweilen so vor, als würden eine Menge Menschen an einem Wettkampf der Religionen und Kulturen teilnehmen, der auf ähnlich ungesunde und zerstörerische Methoden zurückgreift wie damals Elia und Ahab. Anstatt auf gesunde Methoden (ja, ich finde, es gibt gesunden Wettbewerb) wie Nathan der Weise.

Warum nur? Geht es nicht anders? Muss immer gleich Feuer vom Himmel fallen? Muss immer erst alles explodieren und verbrennen? Bevor der Regen fällt?

Ich glaube nicht. Ich will so nicht glauben. Ich will anders glauben. Ich will die Kulturen und mit ihnen die Religionen in Vielfalt und in gesundem Wettbewerb erleben. Wie öde wäre die Welt, wenn alles eins und alles gleich wäre!

Warum nicht nebeneinander? Und dann wird sich im Laufe der Zeit zeigen, welcher Ring der echte ist. Oder es wird sich bis zum Ende aller Zeiten die Waage halten. Weil alle gleichermaßen gut und beliebt sind. Das wäre doch der Hammer! Das wäre doch vor allem für eines der Beweis: Dass Gott (welchen Namen auch immer er trägt) allen zutraut, sich durch Güte und Freundlichkeit als die beste Religion zu erweisen.

Ach Gott, der Sommer…

Ach, Gott!

Nun ist der Sommer schon wieder vorbei.

Das ging so schnell, denken die einen, deren Alltag gefüllt ist mit Arbeit und Schaffen, mit Denken und Planen, mit Agieren und Reagieren.

Der Sommer ist vorbei, denken andere und fragen sich: Ob es wohl mein letzter Sommer war?

Der Sommer ist vorbei, hören die Kinder. Na und? Dann genießen wir eben den Herbst!

Der Sommer ist vorbei? Fragen sich ein paar von uns, und haben vor lauter Sorge gar nicht gemerkt, dass Sommer war.

Der Sommer ist vorbei, lächeln einige, erfüllt mit Dank und mit der noch jungen Erinnerung an wunderbare Tage.

„Solange die Erde besteht, soll nicht aufhören: Saat und Ernte. Frost und Hitze. Sommer und Winter. Tag und Nacht.“

Das hast du, Gott, zugesagt.

Und so leben wir geborgen in Zeit und Raum, in deiner Treue und Gegenwart.

Berühre uns, und erfülle uns mit deinem heiligen Geist.

Amen.